Einblick in die Steinschleiferei
Die Steinschleiferei in Antananarivo zählt insgesamt 15 Mitarbeiter und ist Partner vom Mineralienzentrum in Rheineck, Schweiz. Geführt wird der Betrieb von Roger Tibor, der im Jahr 2019 von Deutschland nach Madagaskar auswanderte und die Exportfirma und Steinschleiferei eröffnete. Da wir nun seit über 3 Wochen die Gastfreundschaft von Roger geniessen und auf dem Grundstück der Schleiferei wohnen, haben wir einen umfassenden Eindruck vom Alltagsgeschehen erhalten, den ich nun gerne weitervermittle.
Vom Einkauf des Rohmaterials bis hin zum fertigen Produkt
In Madagaskar gibt es verschiedene Möglichkeiten Rohmaterial zu beschaffen:
- Eine Mine zu betreiben
- bei bestehenden Minen einzukaufen
- Einkauf über Zwischenhändler
Roger nutzt all diese Möglichkeiten, um qualitativ hochwertige Mineralien zu beschaffen. Er betreut zwei Minen, die das Mineralienzentrum betreibt, nimmt den anspruchsvollen Weg auf sich, um bei verschiedenen Minen einzukaufen und lässt sich von Zwischenhändlern beliefern, die ihm das Rohmaterial anbieten. Die Herausforderung beim Einkauf in den Minen besteht darin, gute Stücke zu erhalten, da die Chinesen enorme Kaufkraft haben und die grossen Minen, mit eigens dafür gebauten Häuschen, belagern.
Der einfachere, jedoch etwas teurere Weg ist der Einkauf bei Händlern, die täglich vorbeikommen und verschiedene Angebote präsentieren. Zwei Beispiele dafür: Links ein Verkäufer mit einem grossen Aquamarin, rechts ein kleines Aquamarin Schmuckstück. Es war ein erstaunliches Erlebnis für mich, als drei Damen zu Besuch kamen und Edelsteine aus ihren Handtaschen zückten, deren Wert beachtlich war. Der Vielfalt sind keine Grenzen gesetzt, doch bei den Ausfuhrbestimmungen schon, denn kürzlich wurde die Ausfuhr von Edelsteinen und Halbedelsteinen vorübergehend verboten, eine Verfügung, welche auch den Aquamarin betrifft.
Bei grösseren Verkaufsmengen wird ein Muster vorbeigebracht oder telefonisch Kontakt aufgenommen und bei Interesse ein Besichtigungstermin vereinbart. So durften wir Roger unterdessen zweimal begleiten, als er Verkäufer in der Stadt besuchte.
Ein Erlebnis war besonders eindrücklich… Mitten in der Stadt fanden wir über eine unscheinbare Gasse in einen Hinterhof, indem weit mehr lagerte als nur die Mineralien. Bilder sagen mehr als tausend Worte…
In diesem Fall hat Roger eine Anzahlung gemacht, um zu einem späteren Zeitpunkt einige Septarien auszuwählen und vorsichtig in die Steinschleiferei zu bringen. Lieferservice wäre auch möglich gewesen, doch der Umgang mit den Steinen ist hier eher ruppig und Roger wollte verhindern, dass die Steine beim Transport beschädigt werden.
Nun zu unserem zweiten Erlebnis… Erneut folgten wir dem Anruf eines Verkäufers und besuchten das besagte Anwesen.
Verschiedene Mineralienschätze türmten sich vor und hinter dem Haus und die unterschiedlichen Labradorit – Qualitäten wurden begutachtet. Dabei lernten wir, dass es sieben verschiedene Labradorit – Farbtöne gibt. Schon bald war klar, welche Qualität für den Kauf in Frage kommt, jetzt ging es nur noch um die Übereinstimmung vom Preis.
Während den Verhandlungen hatte ich Zeit das Grundstück mit dem reizvollen Garten zu besichtigen und einige Fotos davon zu knipsen.
Da es keine preisliche Übereinkunft zu geben schien, verabschiedeten wir uns schon bald und erst als wir auf dem Weg zum Auto waren, bot der Verkäufer um Einhalt. Erneut wurde viel diskutiert, auch wenn es eigentlich gar nichts zu diskutieren gab, da Roger von Anfang bis Ende bei seinem Preis blieb. Doch wie wir festgestellt haben, lieben es die Madagassen sich auszutauschen und es kann einige Zeit dauern bis eine Entscheidung fällt. Nichts desto trotz wurde der Verkauf gutgeheissen und der unverzügliche Transport vereinbart.
Während wir zurück fuhren, blieb ein Mitarbeiter von Roger, der die Verhandlungen auf Madagassisch führte, vor Ort, um den Verlad und Transport zu beaufsichtigen, damit auch die richtige Qualität eintrifft. Es gibt vieles zu beachten bei einem Einkauf und Rogers jahrelange Erfahrung ist wortwörtlich goldwert.
Einige Zeit später kam der Transporter an, gemäss Verkäufer mit knapp 4 Tonnen Rohmaterial.
Während dem Ausladen wurde das Gewicht verwogen, um die exakte Menge zu eruieren und den verhandelten Kilopreis zu zahlen.
Anschliessend wurden die 3.6 Tonnen unscheinbar wirkender Labradorit von Roger handverlesen und mehrfach für die Weiterverarbeitung sortiert. Farbe und Struktur sind entscheidend und im richtigen Licht werden die magischen, irisierenden Farben sichtbar. Der Kauf des Labradorits zeigt sich als Glücksfall, da er in den verschiedensten Farben schimmert, weitaus vielfältiger als im klassischen Blau.
Sind die passenden Steine gefunden, geht es direkt weiter zum nächsten Schritt, dem Zuschnitt. Die Grösse und Form des Steins sind entscheidend, für die Wahl des Objekts.
Hier der Zuschnitt einer grossen Kugel:
und einer kleinen Kugel:
Innert kürzester Zeit, lagen viele wunderschöne Kugeln zum Feinschliff und der Politur bereit:
Feinschliff und Politur mit verschiedenen Schleifkörnungen:
Zum Schluss die Reinigung, der eindrucksvoll glänzenden Kugeln:
Von einem Mann zum andern, wandern die Kugeln, bis sie schliesslich in Kartonschachteln verpackt und mit Freude vom Mineralienzentrum empfangen werden…
Dies ist der Teil des Teams, der für die Verarbeitung der Kugeln verantwortlich war… Daneben gibt es noch weitere Arbeitsbereiche und es ist absolut beeindruckend, mit wie viel Liebe zum Detail die Mineralien verarbeitet und zum Export bereitgestellt werden.
Die Motivation ist spürbar und ein ausserordentlich gutes Arbeitsklima gehört hier zum Alltag! Es ist eine wahre Freude hinter die Kulissen zu blicken und auch, wie wir jeden Morgen voller Herzlichkeit begrüsst werden…
Chapeau an das Team und Roger, der die Arbeiter mit Geduld angelehrt und ihnen die Produktionsansprüche der Schweiz weitervermittelt hat. Das war bestimmt kein leichtes Unterfangen! Denn hier in Madagaskar sind sich die Arbeiter gewohnt, den Lohn anhand der verarbeiteten Menge zu erhalten, Qualität ist sekundär. In der Steinschleiferei läuft es gerade umgekehrt, die Arbeiter werden für die Stunden bezahlt und die Qualität hat Priorität! Ein Umdenken, welches Zeit braucht, um verinnerlicht zu werden.
Doch wie wir festgestellt haben ist Geduld eine unumgängliche Tugend in Madagaskar, wenn man Bestand haben und dabei die Nerven behalten möchte. Auch der Humor darf dabei nicht fehlen, als Medizin für Körper, Geist und Seele!